Aus Liebe zum Laufen

Aus Liebe zum Laufen

Sonntag, 17. Juli 2016

Die Leiden der jungen Mutti

,,Frau Steinhauer kommen Sie bitte nochmal!",ertönt die Stimme der Sprechstundenhilfe durch die Praxis :,, Ich muss Sie nochmal wiegen. Die Waage scheint kaputt zu sein!"
Ich stemme mich aus dem Sessel und schleppe mich zum Behandlungszimmer. Es ist warm. Nein es ist heiß. Wochenlang setzen dunkle Regenwolken Bonn unter Wasser und plötzlich brennen 32 Grad nackte Sonne die Stadt nieder. Nicht ein Lüftchen Wind. Schnaufend setze ich ein zweites Mal meine angeschwollenen Füße auf die Waage.
,,Wahnsinn, Sie haben 8 kg seit dem letzten Termin zugenommen!" Charmant, erzählen Sie mir mehr.
,,Na gut, dann ist die andere Waage wohl doch nicht kaputt." Ich versuche zu lächeln und spreche mein inneres Mantra ,,Das ist normal. Du bist schwanger. Du bist wunderschön. Die Schwangerschaft ist das Schönste was es... um Himmelswillen, wenn der kleine Braten aus dem Ofen ist, werde ich so lange laufen gehen, bis ich meine Füße wieder sehen kann und nur noch ein Kinn habe!"

Laufen. Es fehlt mir so. Natürlich laufe ich noch. Aber auch nur dann, wenn ich mich gut genug fühle und dann sehr langsam und nicht sonderlich weit. Wenn ich meine üblichen Strecken entlang schlender, sehe ich vor meinem inneren Auge, mein früheres Ich vorbeisausen. Mit großen Schritten renne ich durch die Bäume hindurch und tauche erst nach zwei Stunden schweißgebadet und glücklich im Dickicht auf. Es gibt einfach kein schöneres Gefühl.
Ich sitze auf einer Parkbank und male die silbrigen Streifen auf meinen Oberschenkeln nach. Wie ein Teenager schmolle ich und sehne mich nach meiner Jugendliebe. Dem Laufen.
Das letzte noch passende Laufshirt rutscht mir über den Bauch und ein heftiges Treten von Innen holt mich zurück.
Wer den kleinen Hasen Klopfer von Bambi kennt, kann sich ungefähr vorstellen wie mein Bauch dabei aussieht. Wie es sich anfühlt, lässt sich kaum beschreiben. Ich lächle. Doch, es gibt ein schöneres Gefühl als das Laufen.

Ja, ich kann meine Füße nicht mehr sehen, dran komme ich sowieso nicht mehr. Der Moment in dem man sich Birkenstockschlappen anschafft oder nach seinem Verlobten plärrt, damit er Nägel lackiert oder Schuhe bindet. Die silbernen kleinen Würmchen auf meinen Schenkeln werden noch fiese Schwangerschaftsstreifen. Ja ich habe kaum noch etwas zum Anziehen. Aus meinen Laufshorts hängen die Backen und meine Shirts schaffen es schon lange nicht mehr über die runde Plauze.
Nachts kann ich nicht schlafen. Auf dem Rücken bekomme ich keine Luft, Bauch geht nicht und auf der Seite wird der Arm taub. Und wenn man dann mal eine Position gefunden hat, dann gibt es einen ordentlichen Roundhouse-Kick in die Blase und ich darf zum fünften Mal aufstehen, gegen die Bettkante rennen und mich auf dem Klo erleichtern.
Und umso wärmer es draußen wird, desto dicker werden die Füße. Wenigstens kann man die Zeit, in der man die Klumpen hochlegt, sinnvoll nutzen und die kleinen Wollflusen aus dem Bauchnabel (JA! Hallelujah er ist noch drin!) popeln die von dem akuten Bauchhaarwuchs verursacht werden.
Mein Blutdruck gleicht der einer 90 Jährigen. Die Liste ist lang.
Und die Gedanken an die bevorstehende Geburt machen das Ganze nicht viel reizvoller.
Wieso tut sich Frau das an?
Sie tritt mich.
Genau deswegen.
Der Moment, wenn du feststellst, dass du keine Blähungen hast, sondern das sich da ein kleines Wesen in dir bewegt. 
Der Moment, wenn du kleine Strampler in der Hand hälst und sie immer wieder auf und zu faltest, weil du nicht fassen kannst, dass da ein Mensch reinpassen soll.
Der Moment, wenn du beim Ultraschall siehst, wie dein Kind am Daumen nuckelt.
Wenn dein Partner deinen Bauch küsst und ihm Sachen zuflüstert die du nicht hören sollst.
Wenn du deinem Bauch das doppelte Lottchen vorliest und ganz genau weißt, dass da jemand ist der dich, wenn auch sehr gedämpft, hören kann.

Wer schon einmal schwanger war, kann das nachempfinden. Wer es noch nicht war, soll sich seine erste große Liebe vorstellen und das Gefühl verzehnfachen. Selbst das ist nicht genug.

Laufen ist toll. Keine Frage. Und ich werde noch genug Gelegenheiten haben, durch die Wälder zu rennen. Mir die Füße wund zu laufen und neue Bestzeiten bei den tollsten Events zu erzielen.
Aber bis dahin, werde ich das täglich wachsende Glück in mir aufsaugen und genießen.

Samstag, 9. Juli 2016

Homert Berglauf in der Heimat

Die Letzten werden die Ersten sein.

Heute waren Florian und ich, mal wieder, in der Heimat und haben es uns nicht nehmen lassen uns beim Homert Berglauf anzumelden.

Der Lauf sollte erst nachmittags stattfinden und Papa bot mir an, mir schon am frühen Morgen die Strecke , bei einem gemütlichen Spaziergang, zu zeigen.
Ich lehnte dankend ab. Gut so, denn hätte ich gesehen was da auf mich zu kommt, hätte ich es mir vermutlich anders überlegt.

33 muntere Läufer versammelten sich am Schloss Neuenhof und bestückten sich mit ihren Startnummern.
Noch schnell drei Mal Pipi machen vor dem Start und schon konnte es los gehen. Wir starteten gleich bergauf in den Wald hinein. Dann ging es bergauf und nach den ersten Anstiegen ging es ... bergauf. Berglauf. Mir kam der Name schon so seltsam vor.
Schnell fielen wir zurück. Wir nahmen uns nichts vor, außer Gehpausen. Schließlich muss ich nun auf zwei aufpassen. Natürlich hätte ich mich auch als Walker anmelden können, aber dann... nein. Läufer ist Läufer, egal ob langsam oder schnell.
Also krakselten wir den 5 Kilometer langen Berg mit seinen 250 Höhenmetern zur Homert hinauf. Über Wiesen und an Schafherden vorbei. Die Streckenposten wollte gerade Feierabend machen, aber den gönnten wir ihnen noch lange nicht.

Ein kurzer Seitenblick zu Florian.Wären wir nicht verlobt, ich hätte ihm spätestens da einen Antrag gemacht. Wenigstens lachte er während dieser albern aussehenden Tortur, sonst könnte man noch meinen, ich nötige den armen Kerl.

Papa lief uns entgegen und begleitete uns ins Ziel, in dem seine Lauffreundin Kerstin schon wartete. Letzte. Wir bekamen Applaus, als wären wir die Ersten gewesen.
An einer Waldhütte gab es Kuchen und Wasser. Wir ließen es uns im Schatten schmecken, bewunderten unsere Sonnenbrände und warteten mit Papa und Kerstin auf die Siegerehrung. Logisch, dass die beiden etwas gewonnen hatten, aber als plötzlich mein Name und dann auch noch Florians fiel, waren wir vollkommen aus dem Häuschen.
Unser erster Lauf als Familie und schon haben wir etwas gewonnen!
Okay, wir waren die einzigen in unserer Altersklasse, aber wen juckt es. Den Pokal haben wir uns wohl verdient.