Aus Liebe zum Laufen

Aus Liebe zum Laufen

Samstag, 6. Juni 2015

Heiße Suppe & Siegertreppchen


Ich kann nicht klar denken. Meine Gedanken rasen an mir vorbei, verursachen Chaos in meinem Kopf. Ist meine Haltung ok? Sind meine Schritte groß genug? Wieso tue ich das hier überhaupt? Der Schweiß läuft mir in die Augen. Kein Wunder, dass man mich in der Schule wegen meiner großen Stirn gemobbt hat, unglaublich was sich da alles ansammeln kann.
Ich kneife die Augen zusammen, das gleißende Licht der Sonne macht es mir kaum möglich geradeaus zu schauen. Meine Beine schmerzen. Ich schalte auf Autopilot die machen das schon. Ich konzentriere mich auf meinen Atem. Die Hitze schnürt meine Lunge zusammen. Wo sind denn nur alle? Ich kann vor mir weit und breit niemanden sehen. 
Ein paar Meter weiter tauche ich unter den Schatten von Bäumen unter. Ich atme tief durch, aber viel kühler ist es hier auch nicht.
An der nächsten Kurve steht eine Frau die fröhlich ruft:,, Toll! Sie sind die dritte Frau!"
Wie bitte? Mit meinen Amateurzeiten? Niemals. Die gute Dame hat sich verzählt. 
Noch vor zwei Wochen lief ich die 5 km in Refrath in 26 Minuten. Ich bin eben eine blutige Anfängerin. Niemand der jetzt schon auf dem Treppchen steht.
Mit meinem Handrücken wische ich die heiße Suppe von meiner Stirn und scheuche mich selbst weiter voran. Wieder stehen am Rand Streckenposten und wieder rufen sie:,, Wow! Die dritte Frau!" Ich drehe mich um, aber ich seh niemanden hinter mir! Meinen die wirklich mich? Das muss ein Irrtum sein.
Die Kraft in meinen Beinen lässt mich im Stich. Die Hitze macht mir zu schaffen. Ein Mann holt mich ein und motiviert mich nicht schlapp zu machen wir hätten es schon bald geschafft. 
Der letzte Kilometer ist ein einziges Wirrwarr aus Kurven. Nach jeder glaubt man am Ziel zu sein. Man hört schon die Menschen, sieht aber nichts. Und dann. Geschafft! Ich sehe das Ziel und versuche mich ein letztes Mal zusammenzureißen. Am Rand steht Papa und wedelt mit den Armen. Was ruft er da? Er winkt mit den Armen Richtung Uhr und als ich ihnen folge, traue ich meinen Augen nicht, 24:20 Minuten! ,,Wie geil ist das denn?" Die Leute am Ziel drehen sich zu mir und jubeln. Habe ich das etwa laut gesagt? Habe ich.
Lachend und mit aller Energie die ich noch aufbringen kann, renne ich bei 24:32 Minuten über die Ziellinie. War ich doch die dritte Frau? Wahnsinn.
Vollkommen erschöpft lege ich mich auf die Wiese und trinke so viel ich nur kann. Papa ist als nächstes dran. Während ich auf die Siegerehrung warte startet er bei dem 10 Kilometer-Lauf. 
Und dann ist es soweit. Nach dem ich mich frisch gemacht und umgezogen habe, gehe ich zur Bühne und sehe mir die Siegerehrung an in der Erwartung jeden Moment meinen Namen zu hören. Die ersten drei Männer werden geehrt, nun sind die Frauen dran. Die erste Frau taucht nicht auf, dann kommt die Zweite und die....Dritte. Ich stehe vor der Bühne und lasse mich zurück auf die wackelige Bierbank fallen. Aber ich dachte... nun gut. Die Damen auf der Strecke haben sich wohl wirklich vertan.
Ich gehe zurück zum Ziel und empfange meinen Papa, der trotz der Hitze auch eine neue Bestzeit und den ersten Platz in seiner Altersklasse erzielt hat. Super! Ich bin stolz auf ihn. 
Zu Hause angekommen feier ich mit meinem Freund und einer großen Pizza meinen vierten Platz und meine neue Bestzeit nichtsahnend, dass die erste Frau die bei der Siegerehrung nicht auftauchte, ein 16-Jähriger Junge war. 

Das ist nun genau ein Jahr her. Jeder der schon mal an einem Wettkampf teilgenommen hat wird wohl nachvollziehen können wie traurig es ist, wenn man bloß wegen eines Missverständnisses nicht an der Siegerehrung teilnehmen darf. Doch was nützt mir mein Gejammer? Das macht mich auch nicht schneller. 
Also habe ich trainiert und trainiert und ich sage euch. Morgen, wenn dieser Lauf wieder stattfindet, werde ich antreten und ich werde alles dafür geben um wieder unter die ersten Drei zu kommen und dann bekomme ich meine Siegerehrung!


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