Aus Liebe zum Laufen

Aus Liebe zum Laufen

Samstag, 8. Oktober 1994

Turnschuhe & Zahlen

Lüdenscheid, Oktober 1994


Hallo, ich heiße Katharina und bin zwei Jahre und sieben Monate alt. Am liebsten spiele ich mit meinem Hasen Oskar oder gehe mit Papa laufen. Mein Papa läuft nämlich ganz viel. Manchmal läuft er so lange, dass mir ganz schrecklich langweilig wird. Aber das ist nicht schlimm. Ich mache dann einfach ein Mittagsschläfchen und wenn ich dann wieder aufwache sind wir schon wieder zu Hause. Manchmal gibt es sogar zur Belohnung ein Eis oder ein Stück Kuchen!

Heute laufen Papa und ich mal nicht am See sondern in der Stadt, mit ganz vielen anderen Leuten. Die haben alle so Zahlen auf ihrem T-Shirt und Turnschuhe an.
Papa erklärt mir, dass ich schön brav in meinem Buggy sitzen bleiben soll. 
Wenn mein Papa das sagt, dann mache ich das auch. Mehr als meine zwei Schnuller brauche ich nicht um zufrieden zu sein.

Gerade als ich meine Äuglein wieder zu machen wollte, zieht mir mein Papa die Kapuze über den Kopf. Es wird etwas windig sagt er. Aber die Sonne scheint doch. Ich versteh das nicht.
Und ich versteh nicht wieso die vielen Menschen mit den Turnschuhen und Zahlen auf einmal so drängeln. Es ist wohl besser, wenn ich meine Schnuller beschütze, vertrauenswürdig sehen die alle nicht gerade aus.

Vor uns steht ein Mann mit einer Pistole, ich hab das mal im Fernsehen gesehen, nur das dieser Mann kein Pferd hat, er hebt den Arm und schießt in die Luft. Einen Indianer sehe ich da oben auch nicht. Wie gesagt, ich verstehe das Ganze hier nicht.
Plötzlich macht es einen Ruck und Papa läuft los. Hilfe ist das schnell!
Papa rennt mit mir durch die ganze Stadt, sogar auf der Straße wo doch nur Autos fahren dürfen! Mama wird bestimmt stinksauer sein, wenn sie erfährt, dass Papa einfach mit mir auf die Straße läuft ohne nach rechts und links zu gucken!
Papa wird immer schneller und ich muss mich bemühen meine Schnuller festzuhalten. Es geht bergauf und bergab. Und dann stehen wir plötzlich wieder auf dem großen Platz in der Stadt. Das ging ja flott. Der Mann mit der Pistole geht auf Papa zu und schüttelt ihm die Hand. Puh, Glück gehabt, ich dachte er schießt meinen Papa jetzt tot. Aber er lacht und sagt etwas von 1,8 Kilometer und 7 Minuten. 
Ich verstehe das immer noch nicht. Hoffentlich gibt es gleich wieder Eis und Mama schimpft nicht!